Kaltplasma – Fast wie Zauberei

Graz, 02.09.2021

Ein kleines schwarzes Gerät und Luft – idealerweise kleinste Staubpartikel inklusive – mehr braucht es nicht, um mit Cold Plasma Wunden zu desinfizieren und die Haut zum Regenerieren anzuregen. Wer jetzt an Raumschiff Enterprise denkt, liegt gar nicht falsch: Auch bei Raumfahrtantrieben kommt das Kalte Plasma zum Einsatz.
– Gerda Reithofer –

Kaltes atmosphärisches Plasma (Cold Plasma oder Kaltes Plasma) tötet Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Pilze) und multiresistente Keime ab, ohne dabei gesundes Gewebe zu schädigen. Zwei Geräte namens „plasma care®“ der Firma terraplasma medical werden momentan am LKH-Univ. Klinikum Graz bei chronischen Wunden getestet: auf der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie und auf der Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie.

Heilt hartnäckige Infektionen bei Kunstherzpatienten

Seit Mai 2020 wird Cold Plasma auf der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie angewandt, um chronische Driveline-Infektionen zu therapieren. Patienten mit Linksherzunterstützungssystemen (LVAD, ein sog. Kunstherz) haben eine Art Pumpe direkt am Herzen, die dieses beim Schlagen unterstützt und mittels einer Batterie außerhalb des Körpers betrieben wird. Bei der Austrittsstelle des Kabels, der sogenannten Driveline, im Bauchbereich kann es zu hartnäckigen, chronischen Infektionen, oft mit multiresistenten Keimen kommen. Wenn alle anderen Therapieoptionen ohne Erfolg waren, werden diese Stellen mit Cold Plasma behandelt. Für die Patienten selbst ist die Behandlung völlig schmerzfrei und ohne Nebenwirkungen.

Kleines Gerät, große Wirkung

Das Gerät „plasma care®“ ist leicht und nicht größer als ein Reiseföhn. Nach dem Einschalten und dem Initialisieren wird die Schutzkappe abgenommen und ein steriler Abstandshalter (ein sog. Spacer) aufgesetzt. Aus den Ionen der Luft erzeugt das Gerät Plasma. Das kalte, ionisierte Gas wird als sanfter Luftstrom auf die betroffene Hautstelle geleitet. Das Plasma dringt in die Keime ein, bringt diese zum Platzen und „sprengt“ so die Infektion praktisch weg. Die menschlichen (Haut-)Zellen sind robuster und werden daher nicht beschädigt. Dazu Herzchirurgin Daniela Malliga: „Das Gerät wird über die zu behandelnden Stelle gehalten, pro Quadratzentimeter maximal 30 Sekunden lang. Man kann Plasma nicht sehen, aber es riechen, da Ozon produziert wird. Das sollte man nicht in die Atemwege bekommen.“ Aufpassen müsse man bei der Anwendung lediglich, dass man den Spacer nicht berühre. Das Gerät erkennt dann, dass es nicht mehr steril ist und kann nicht mehr verwendet werden.

Zuerst wird der Verband entfernt und die Wunde gereinigt. Erst danach wird die Stelle mit „plasma care®“ behandelt. Die ersten beiden Patienten, die auf der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie mit Cold Plasma behandelt wurden, waren LVAD-Patienten.

Beim LVAD, umgangssprachlich Kunstherz, sitzt der Hauptmotor innen am Herzen, ein Schlauchsystem verbindet den Motor mit einer Batterie und dem Controller.

Der Schlauch tritt meist im Bereich des rechten Unterbauch aus. Je länger das LVAD im Körper ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Teile des Schlauches sozusagen „herauswandern“. Über diese Austrittsstelle des Kabels können Keime in den Körper gelangen und Infektionen verursachen. „Zuerst versucht man, die Infektion mittels Antibiotikatherapie zu behandeln. Gelingt das nicht, können wir jetzt mit Cold Plasma therapieren. Vor allem bei multirestistenten Keimen kommt die Therapie zum Einsatz“, erklärt Malliga die Therapie. Am Anfang alle zwei Tage Eine Cold-Plasma-Behandlung kann alle 24 Stunden angewandt werden, mehr kann der Körper nicht aufnehmen. In den ersten vier Wochen behandeln die Herzchirurgen jeden Tag, dann wird auf zweimal die Woche bis hin zu einmal pro Woche reduziert. Wie lange die Behandlung insgesamt dauert, hängt immer von der Infektion ab.

Für chronische Wunden ist die Behandlung mit Cold Plasma die letzte Therapieoption. Zuerst wird eine oberflächliche Driveline-Infektion mittels Antibiotikum und täglichen Verbandswechseln behandelt. Wenn keine Verbesserung eintritt, kann die infizierte Stelle chirurgisch entfernt werden, was einen langwierigen Krankenhausaufenthalt benötigt und oft Wundheilungsstörungen nach sich zieht. Als letzte Möglichkeit bestanden vor Cold Plasma nur noch die Verlegung der Driveline, ein kompletter Systemwechsel oder eine High-Urgency-Herztransplantation. Auf der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie werden momentan 16 Patienten mit einem LVAD betreut, zwei davon bekommen die Cold-Plasma-Therapie. Bei einem dritten Patienten wurde eine Sternuminfektion nach einer Herzoperation durchgeführt.

Vor der Cold-Plasma-Behandlung hatten die Patienten an der Driveline-Austrittsstelle oft Schmerzen aufgrund der chronischen Entzündung und der nässenden Wunden. Bereits nach ein bis zwei Cold-Plasma-Anwendungen sind diese lokalen Schmerzen komplett weg – und das völlig ohne Nebenwirkungen. „Die Patienten können sogar wieder auf dieser Seite liegen und schlafen, was eine enorme Steigerung der Lebensqualität für den Betroffenen bedeutet“, erzählt Malliga.

Einsatz auf der Hautklinik

Die Univ.-Klinik für Dermatologie verwendet „plasma care®“ seit Juni 2020. Auch hier wird es bei chronischen Wunden eingesetzt, um die Bakterien und den Biofilm zu reduzieren und so die Wundheilung anzuregen bzw. zu verbessern. „Wir sind momentan in der Testphase und haben das Gerät bei drei Patienten eingesetzt. Das Ergebnis war bei allen vielversprechend“ berichtet Dermatologin Barbara Binder. Die Anwendungsbereiche sind laut Binder vor allem bei in der Heilung stagnierender Wunden im Bereich des Unterschenkels (Ulcus cruris oder offenes Bein), beim Diabetischen Fußsyndrom und bei Druckgeschwüren (Dekubitus). Auch Binder ist überzeugt, dass sich die Lebensqualität ihrer Patienten durch die Behandlung verbessert: „Eine Sitzung dauert nicht lange, verursacht keine Schmerzen und zeigt Wirkung – als Patient und behandelnder Arzt kann man nicht mehr wollen!“

Cold Plasma (Kaltes Plasma)

Wir haben es fast alle irgendwann in der Schule gelernt: etwas ist fest, flüssig oder gasförmig – oder ein Plasma. Es ist der vierte physikalische Aggregatzustand. Im Weltraum besteht praktisch die gesamte sichtbare Materie aus Plasmen. Die Sterne sind Heiße Plasmen, der Raum dazwischen besteht aus Kalten Plasmen. Auf der Erde findet man Kaltes Plasma, wenn sich ein Blitz entlädt, oder wenn man es künstlich herstellt – also in Neonröhren oder bei der Kernfusion.

Ein Cold Plasma ist ein gasförmiger Mix niedriger Energie aus ionisierten Molekülen, Elektronen und Staubpartikel. Plasma erzeugt eine Energie, die mit einer höheren Frequenz als Laserlicht schwingt. Daher kommt es zu keiner Wechselwirkung mit den Bestandteilen der Haut, des Blutes oder des Bindegewebes der Haut, wie dies bei der Lasertherapie der Fall ist. Cold Plasma (Kaltes Klasma) kann in der Medizin in vielen Bereichen eingesetzt werden, zum Beispiel zur Verbesserung der Wundheilung oder zur Behandlung von Verbrennungen. Laut Stand der Forschung ist Cold Plasma frei von Nebenwirkungen. Neben der medizinischen Anwendung werden mit Cold Plasma unter anderem auch Raumschiffe angetrieben und das Wachstum von Pflanzen gefördert. In der Medizin wird Cold Plasma seit 1970 eingesetzt, um chronische Wunden nach Verbrennungen, Bissverletzungen, Ulcus, Arbeitsunfällen oder Quetschungen zu behandeln. In Deutschland setzen derzeit zwei Herzchirurgien diese Methode ein, in Österreich wird Cold Plasma auch an der Klinik in Feldkirchen und am Klinikum Graz auf der Dermatologie und der Herzchirurgie angewandt.

Quelle: KLINOPTIKUM Ausgabe 3|20