VitaQuiz App – Gesundheit spielend lernen

Leuchttürme Betriebskrankenkassen 03 | 2023 (PDF Download)

Welche Ansätze und Impulse fördern Gesundheitskompetenz? Spielen – so die Idee für einen ganz anderen Zugang abseits der ausgetretenen Pfade gedruckter Broschüren. Wer seine Gesundheit zu seiner eigenen Sache machen will, findet auch digitale Angebote. Eines davon hat Dr. Michael Hägele mit seinem interdisziplinären Team entwickelt: die VitaQuiz-App. Eine digitale Unterstützung, die auf wissenschaftliche Evidenz der aktuellen Health Literacy Survey Germany baut, um Gesundheitskompetenz zu fördern.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass uns Apps daran erinnern, Wasser zu trinken. Jetzt sollen wir während einer Hitzewelle kühle Räume aufsuchen – auch daran erinnert uns eine App, die uns auch den Weg zum nächsten öffentlichen Trinkwasserbrunnen weist. Das ist Nudging, ein digitales Tool drängelt uns da-hin, uns gesundheitsbewusst zu verhalten. Mit Dr. Michael Hägele haben wir über einen neuen Ansatz gesprochen, wie man Gesundheitskompetenz fördern kann. Das ist bitter nötig. Eine aktuelle Studie einer Forschergruppe um die Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin Doris Schaeffer kommt zu dem Ergebnis: Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland hat sich in den letzten sieben Jahren verschlechtert (siehe Studie zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor und während der Corona-Pandemie).

Wir wissen: Gesundheitskompetenz kann entscheidend dazu beitragen, Menschen dazu zu befähigen, gesunde Entscheidungen zu treffen, Krankheiten zu vermeiden und nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Die Wissenschaft sagt uns: Von den vier Schritten bei der Informationsverarbeitung (Finden, Verstehen, Beurteilen, Anwenden) fällt der Bevölkerung in Deutschland die Beurteilung von Gesundheitsinformationen am schwersten: Fast drei Viertel der Menschen sieht sich bei der Einschätzung von Gesundheitsinformationen vor Probleme gestellt. Wer Entscheidungen für das eigene Gesundheitsverhalten oder das der Angehörigen zu treffen hat, muss die richtige Information ausfindig machen, sie einordnen und bewerten: Information über gesundheitsförderliche Verhaltensweisen, Prävention von Krankheiten, über Krankheitssymptome, den Umgang mit Krankheiten, verlässliche Information über verfügbare Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten. Und die Antwort darauf soll ein Spiel sein?

Herr Dr. Hägele, Sie sind seit Jahren ein leidenschaftlicher Botschafter von #patientempowerment und haben jetzt ein interdisziplinäres Team zusammengestellt, um eine App zu entwickeln, die unsere Gesundheitskompetenz stärkt. Wer ist dabei?

Wir sind ein interdisziplinäres Team aus (Medizin)-Informatikern, Spieleentwicklerinnen, Mediengestaltern, Ärztinnen und Grafikern – das sind viele unterschiedliche Ausbildungen, Expertisen und Perspektiven, aber uns eint die Leidenschaft, den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen und den Usern der App echten erlebbaren Nutzen zu bieten.
Es gibt sie schon, die VitaQuiz App.

Was war die Idee dahinter und was ist der neue Weg, um Gesundheitskompetenz zu verbessern?

Wir beobachten seit einigen Jahren, dass die Gesundheitskompetenz in Deutschland nicht besser wird. Dazu kommt, dass die Entscheider im Gesundheitssystem den Nutzen von Gesundheitskompetenz von Versicherten und Patienten nicht so sehr erkennen, dass sie wirklich entscheidende Schritte unternehmen, um dies deutlich zu verbessern. Wir sehen auch nicht den Willen, neue Wege zu gehen, abgesehen davon, Broschüren zu drucken, Webseiten aufzusetzen und Menschen ein schlechtes Gewissen zu machen. Deshalb haben wir uns überlegt: Was würde uns dazu motivieren, Fragen zu unserer eigenen Gesundheit möglichst täglich nachzugehen? Und zwar ohne, dass uns das auf Dauer anstrengt oder gar nervt. So sind wir auf den Ansatz gekommen, VitaQuiz zu entwickeln. Es geht darum, spielerisch Gesundheitskompetenz zu lernen. Der Spielspaß soll im Vordergrund stehen und die gesundheitliche Bildung sozusagen wie von selbst mitlaufen. Weil wir eben sehen: Die Leute haben keine Lust darauf, ständig erinnert zu werden, sich mehr zu bewegen oder gesünder zu ernähren. Sie wissen auch zumeist gar nicht, ob sie gesundheitskompetent sind oder nicht. Und es soll auch gar nicht darum gehen, sich selbst zu beweisen, was man schon alles über die eigene Gesundheit oder die eigene chronische Krankheit weiß.
Unser Ansatz ist auch nicht, einen einwöchigen Kurs über Gesundheitskompetenz anzubieten, denn das bleibt immer in der Zukunft: Wer hat schon die Zeit im stressigen Alltag, sich eine Woche lang ein Zeitfenster für einen solchen Kurs freizuhalten? Die Zeit, die man hat, entsteht beim Warten auf einen Termin beim Amt oder beim Arzt, auf dem Weg in die Arbeit, in kleinen Zeitfenstern im Alltag. Und hier bietet die VitaQuiz-App Spielzeit an und die Gelegenheit, sich mit alltagstauglichem Gesundheitswissen auseinanderzusetzen.

Es geht also darum: Wie machen wir unsere Gesundheit zu unserer eigenen Sache – und zwar mit Emotion und Spaß…

Genau. Es geht auch nicht darum, den Usern zu zeigen, was sie alles nicht wis-sen. Das Erleben der Inhalte im Quiz erzeugt kein „anstrengendes Lerngefühl“ und wirkt schon gar nicht belehrend auf die Nutzer. Das Spiel mit der VitaQuiz App verbessert unterschwellig die Gesundheitskompetenz der User. Es geht uns darum, dass Menschen nicht aus Unwissen Dinge tun, die ihrer Gesundheit nicht förderlich sind. Wir wollen fördern, richtige Entscheidungen für sich selbst treffen zu können, aber auch etwa im Arztgespräch – das im Durchschnitt nur 7 Minuten dauert – richtig zu verstehen und zu kommunizieren, also auch die richtigen Fragen zu stellen. Deshalb steht in der App der Spielspaß im Vordergrund, aber die Quiz-Fragen erfordern Entscheidungen und klare Ergebnisse, die dann auch messbar sind. Das ist ein spannender Aspekt des Quizformats, weil so Wissenslücken erkennbar sind und die App die Fragen entsprechend individuell anpassen kann. So entsteht spielerisch Verständnis und Anwendbarkeit von Wissen über Gesundheit und Möglichkeiten der Prävention.

Wie schafft es die App, die Menschen da abzuholen, wo sie in ihrer Gesundheitskompetenz stehen?

Im Spiel können durch die Angabe von Interessen verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden.
Zudem nutzt die App kleine Informationseinheiten, damit Nutzer nicht überfordert werden („Microlearning“). Die VitaQuiz App motiviert zur häufigen Nutzung durch einen individuellen 3D-Avatar, Wettkämpfe, Ranglisten, Nachrichten und besondere Themenspecials. Damit erreichen wir, dass die User dabei bleiben und damit indirekt den kontinuierlichen Aufbau von Wissen. Zur Förderung von Gesundheitskompetenz haben sich diese Elemente bewährt: Kommunikation in leicht verständlicher Sprache und ein zielgruppenspezifisches, multimodales Angebot, das die Nutzer einbindet und aktiviert. Und wir haben mit unserer App ein großes Ziel im Blick: Wir wollen nicht, dass Menschen aus Unwissen Entscheidungen treffen und Dinge tun, die ihrer Gesundheit schaden.

Sie adressieren mit der App auch Menschen mit chronischen Krankheiten, aber Ihr Anspruch, wen sie erreichen wollen, geht über Gruppen und Blasen bestimmter Diagnosen hinaus. Wer soll beim Spiel um die Entscheidung für eine richtige Antwort zur eigenen Gesundheit noch erreicht werden?

Wir wollten Chronikern durch Wissen ermöglichen ein bewusstes und möglichst gesundes, selbstbestimmtes Leben zu führen. Für Patientinnen und Patienten ist es wichtig, dass sie jederzeit verstehen, was mit ihnen gemacht wird. Sie sollen Entscheidungen der Ärzte und Pflege über den Verlauf der Behandlung verstehen und mittragen und nicht einfach „nur Pillen einwerfen“ und „sich eine Spritze abholen“. Aber gerade, weil wir Gesundheit nicht als Schulfach haben in Deutschland, ist es wichtig, erstmal Grundlagen zu schaffen. Kinder und Jugendliche wissen ganz viele einfache Dinge nicht und die Eltern sind auch mit anderen Dingen beschäftigt oder auch einfach nicht dafür ausgebildet, dieses Wissen zu vermitteln. Das Zentrum für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln hat in einer Studie mit Schülerinnen und Schülern der siebten Klassen zeigen können: Fast 70 % aller Schülerinnen und Schüler wissen viel zu wenig über das Thema Gesundheit. Deshalb wird der Gesundheitszustand der jüngeren Generation stetig schlechter: Ernährung mit Fast Food und Bewegungsmangel führen bereits bei Jugendlichen zu gravierenden gesundheitlichen Problemen, wie Übergewicht oder Diabetes mellitus. Und wir wissen: Nur Erwachsene, die bereits im jungen Alter auf einen gesunden Lebensstil geachtet haben, werden auch im weiteren Lebensverlauf auf ihre Gesundheit achten.

Dr. Michael Hägele @medinfode (Twitter/X)

Studie zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor und während der Corona-Pandemie

Die Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin an der Universität Bielefeld, Professor Doris Schaeffer hat mit einem Team eine Studie zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor und während der Corona-Pandemie vorgelegt, die eindrucksvoll zeigt: Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland, fast 60 Prozent, sieht sich im Umgang mit gesundheitsrelevanten Informationen vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt. Deshalb tun sich Betroffene auch schwer damit, im Alltag gesundheitsförderliche Entscheidungen zu treffen. Die wichtigsten Ergebnisse:

  1. Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland hat sich in den letzten sieben Jahren verschlechtert.
  2. Gesundheitskompetenz ist sozial ungleich verteilt.
  3. Menschen im höheren Lebensalter, mit chronischer Erkrankung oder lang-andauernden Gesundheitsproblemen weisen eine durchschnittlich geringere Gesundheitskompetenz auf. Die Studie unterstreicht die Bedeutung vulnerabler Gruppen.
  4. Die Studie macht eine Verschiebung sichtbar: Anders als in zurückliegenden Untersuchungen haben auch vermehrt jüngere Menschen zwischen 18 und 29 Jahren Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformation.
Die Bielefelder Studie gibt damit wichtige Hinweise für die Entwicklung differenzierter, zielgruppengerechter Interventionskonzepte, wie sie seit langem gefordert werden, um die Teilhabechancen speziell vulnerabler Gruppen zu verbessern.