Umweltbundesamt räumt plötzlich ein: Mobile Luftfilter in Klassenräumen helfen doch

Sie haben uns ein Jahr lang hinters Licht geführt! Umweltbundesamt räumt plötzlich ein: Mobile Luftfilter in Klassenräumen helfen doch

Quelle www.news4teachers.de

Berlin, 07.06.2021 – Der Luftfilter-Skandal wächst sich aus: Das Umweltbundesamt (UBA) hält plötzlich mobile Luftfiltergeräte in Schulen doch für sinnvoll – und behauptet nun, nie etwas anderes erklärt zu haben. Recherchen von News4teachers legen allerdings nahe: Die Öffentlichkeit ist seit fast einem Jahr – auch von Kultusministern –, darüber getäuscht worden, dass mobile Luftfilter in Kitas und Schulen vor Corona-Infektionen hätten schützen können. Offensichtlich waren die Geräte den Politikern schlicht zu teuer – und das UBA mit Gefälligkeits-Statements zu Diensten.

Der Satz dürfte wie eine Bombe in den 16 deutschen Kultusministerien einschlagen. «Natürlich helfen mobile Luftfilter gegen Viren, wenn es sich um geprüfte Geräte handelt und sie richtig im Klassenraum aufgestellt sind», sagt Heinz-Jörn Moriske, Geschäftsführer der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes (UBA) in einem Interview mit dem «Handelsblatt». Er weist darin die Darstellung zurück, das UBA habe monatelang vom Einsatz mobiler Luftfilter in Schulen abgeraten. Recherchen von News4teachers belegen allerdings, dass das UBA sehr wohl seit dem Sommer vergangenen Jahres vom Einsatz von Luftfiltern abgeraten hat – sehr zum Gefallen der Kultusminister.

„Die IRK (gemeint ist die lnnenraumlufthygienekommission des UBA, d. Red.) hält den Einsatz von mobilen Luftreinigern in Klassenräumen (…) für nicht geeignet, da sie das aktive Lüften nicht ersetzen, sondern allenfalls in Einzelfällen flankieren können“, so heißt es nämlich in einer Pressemitteilung des UBA mit Datum vom 13. August 2020.

Beantwortet wird damit eine Frage, die gar nicht gestellt worden war: Niemand wollte wissen, ob mobile Luftreiniger das Lüften ersetzen. Das können die Geräte logischerweise nicht, weil sie über keine Verbindung nach außen verfügen und deshalb keine Frischluft zuführen können. Interessant war (und ist) vielmehr, ob mobile Luftreiniger Corona-verseuchte Aerosole aus der Atemluft filtern können – und damit das Fensterlüften wirkungsvoll ergänzen. Die Frage wird vom UBA plötzlich mit „ja“ beantwortet. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die den Meinungsumschwung erklären könnten, gibt es allerdings nicht.

„Die Maßnahme ‚mobile Luftreinigung als Ergänzung zum Lüften‘ hat positive und negative gesundheitliche Wirkungen“

Studien, die die Wirkung der Geräte belegen, existieren schon seit vergangenem Jahr – wurden aber sowohl vom UBA wie auch von den Kultusministern der Länder sowie dem Bundesbildungsministeriums bislang ignoriert. „Die Maßnahme ‚mobile Luftreinigung als Ergänzung zum Lüften‘ hat positive und negative gesundheitliche Wirkungen“, so heißt es in einer nach wie vor gültigen Leitlinie zum Schulbetrieb in der Corona-Pandemie, die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) im Februar vorstellte. Welche negativen gesundheitlichen Wirkungen denn? Darüber schweigt sich das Papier weitgehend aus.

Festgestellt wird lediglich: „Hohe Kosten bei Anschaffung, Unterhalt, Wartung und Entsorgung. Machbarkeitsprobleme, insbesondere hinsichtlich fachgerechter Installation und Wartung. Beeinträchtigung von Lehrqualität und Bildungserfolg sowie Gesundheit durch Lärm. Ökologisch: hoher Ressourcenverbrauch.“ In Sachen Gesundheit wird (außer dem angeblichen Lärm) nur ein – positiver – Effekt angeführt: „Wahrscheinlich positive Wirkung auf den Infektionsschutz.“ Kurz: Viel Schaden, wenig Nutzen.

„Lüften funktioniert nun mal am besten“, erklärte UBA-Präsident Dirk Messner am 19. Februar gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die ihn ausdrücklich zu Luftfiltern befragt hatte. Er betonte: Viele Menschen hofften in der Corona-Pandemie zwar auf technische Lösungen, Luftreiniger könnten aber dazu verführen, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Die dpa schrieb daraufhin in einem „Faktencheck“: „BEHAUPTUNG: In Klassenzimmern schützen mobile Luftfiltergeräte besonders effizient gegen eine drohende Infektion mit Coronaviren. BEWERTUNG: Forscher haben herausgefunden, dass Stoßlüften wirksamer ist.“ Der Bericht blieb vom UBA unwidersprochen.

News4teachers titelte daraufhin: „Der Luftfilter-Skandal: Wie das Umweltbundesamt den Einsatz der Geräte in Schulen schlechtredet – und was dahintersteckt“. Die Kultusminister ließen sich von den wachsenden Irritationen an der UBA-Bewertung auch unter Schülern, Eltern und Lehrkräften allerdings nicht beirren. Alle 16 wiesen immer wieder aufkommende Forderungen nach den Geräten zurück.

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrick Tonne (SPD) behauptete zum Beispiel noch unlängst in einem Schreiben an Amira Mohamed Ali, Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, das News4teachers vorliegt: „Mobile Luftreinigungsgeräte versprechen, virushaltige Partikel in Innenräumen zu reduzieren. Ob die Minderungen ausreichen, eine Infektionsgefahr in dicht belegten Klassenräumen abzuwenden, ist nach jetzigem Wissenstand unsicher.“ Tonne: „Vor dem Hintergrund dieser Bewertung erscheint mit dem heutigen Wissensstand eine Investitionsentscheidung zur Auflage eines Förderprogramms zur Ausstattung aller Schulräume mit mobilen Raumluftreinigern weder erforderlich noch sinnvoll begründet zu sein.“ Statt Luftfilter einzusetzen, so Tonne, sollen weiterhin (nur) die Klassenraum-Fenster regelmäßig aufgerissen werden – auch im kommenden Winter. „Frische Luft ist gesund, das Lüften verursacht keinerlei gesundheitliche Risiken, auch keine Erkältungen – im Gegenteil, das regelmäßige Lüften wirkt hier sogar vorbeugend.“

Dieser Einschätzung hat sein Chef, Ministerpräsident Stephan Weil, jetzt öffentlich widersprochen. Mittlerweile habe sich eine vorherrschende Meinung herausgebildet, die mobilen Luftfiltern eine hohe Wirksamkeit bescheinige, räumte der SPD-Politiker nebenbei in einem Interview ein, über das News4teachers berichtet.
„Im Ergebnis kamen die Wissenschaftler überein, dass der Einsatz solcher Geräte grundsätzlich nicht nötig sei“

Dabei war Tonne nur der Argumentation der Kultusministerkonferenz gefolgt, die Ende September 2020 eine Expertenanhörung zu dem Thema veranstaltet hatte und zu dem Schluss kam: „Die Experten waren sich einig, dass das Lüften in Schulräumen ein unerlässlicher Bestandteil der bereits in den Schulen angewendeten Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen sei. Sie rieten zum Stoßlüften (Fenster weit öffnen) im zeitlichen Abstand von 20 Minuten und für etwa 3 bis 5 Minuten Dauer sowie zum Querlüften (Durchzug) der Räume in den Pausen“, so hieß es in einer Presseerklärung, die die KMK im Anschluss herausgab. Weiter stand darin: „Der Einsatz von mobilen Luftreinigungsgeräten in Schulräumen, der derzeit in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert wird, wurde ebenfalls erörtert.

Im Ergebnis kamen die Wissenschaftler überein, dass der Einsatz solcher Geräte grundsätzlich nicht nötig sei, wo Räume über Fenster gelüftet werden können.“ Das Problem: Die Darstellung war falsch.

„Ich teile die in der Pressemitteilung aufgeführte Meinung nicht, weil meine experimentellen Analysen diese Meinung nicht stützen“, so erklärte Prof. Christian Kähler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München seinerzeit gegenüber News4teachers. „Gemäß unserer wissenschaftlichen Analysen bieten Raumluftreiniger, die eine Luftwechselzahl von mindestens 6 pro Stunde schaffen, einen Filter der Klasse H14 nutzen und hinreichend leise sind, so dass sie nicht abgeschaltet werden, ein viel höheres Maß an Sicherheit vor einer indirekten Infektion als die freie Lüftung.“ Und dies habe er in der Expertenrunde mit den Kultusministern auch so dargestellt; die Pressemitteilung der KMK sei nicht mit ihm abgestimmt worden. Kähler war der einzige Experte in der Runde, der tatsächlich zum Einsatz von Luftfiltern in Klassenräumen geforscht hatte. Sein Befund ist mehrfach wissenschaftlich bestätigt worden.

Mit am Tisch saßen übrigens hochrangige Vertreter des Umweltbundesamtes. Sie widersprachen der KMK-Pressemitteilung nicht.

Wissenchaftliche Studie zum Einsatz im Klassenzimmer (PDF)