Der Wendepunkt der Pandemie: In der Omikron-Welle kommt es auf 3 Dinge an

Die Omikron-Welle steht unmittelbar bevor. Deutschland rast mit verbundenen Augen darauf zu. Dabei birgt die neue Mutante auch eine Hoffnung. Wie wir die bislang schwierigste Herausforderung der Pandemie meistern können.

Auf drei Dinge kommt es an

Wenn man die in anderen Ländern gewonnenen Daten auf die Bundesrepublik überträgt, wird die derzeit abflauende Delta-Welle demnächst – wahrscheinlich zwischen Weihnachten und Mitte Januar – von einem Omikron-Kaventsmann abgelöst werden. Um uns darauf vorzubereiten, kommt es jetzt auf drei Dinge an.

Erstens müssen möglichst viele Menschen in der Altersgruppe ab 60 Jahren oder mit anderen Risikofaktoren eine Boosterinjektion erhalten. Zwei Dosen der mRNA-Impfstoffe von Biontech oder Moderna schützen bereits gegen die Delta-Variante nur unvollständig, gegen Omikron ist die Wirkung noch einmal 10- bis 40fach schlechter. Die dritte Spritze bewirkt in der Regel einen deutlichen Anstieg der gegen Omikron gerichteten Antikörper und kann höchstwahrscheinlich das Risiko besonders schwerer Verläufe senken.

Unklar ist jedoch, ob die Boosterung auch in relevantem Umfang Infektionen und die Weiterverbreitung der neuen Variante verhindert – nur dann würde sie zur Dämpfung der Infektionswelle taugen. Die Priorisierung der Risikogruppen ist deshalb wichtiger als je zuvor. Dass Deutschland die Auffrischimpfungen der Altersgruppe ab 60 nicht konsequenter vorangetrieben hat, erweist sich erneut als folgenschwerer Fehler.

Zweitens kann bei Freizeitveranstaltungen in Innenräumen für Geimpfte und Genesene nicht mehr auf die Schnelltests verzichtet werden. Aufgrund der immunologischen Besonderheiten der Omikron-Variante sind Geimpfte und Genesene nicht auseichend vor Infektion und Weitergabe des Erregers geschützt. Der Verzicht auf Schnelltests und eine Begrenzung der Teilnehmerzahlen für 2G-Veranstaltungen war wegen der häufigen Impfdurchbrüche bereits bei Delta ein Fehler; in der bevorstehenden Omikron-Welle wäre dies absolut unverantwortlich.

Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, warum die Gesundheitsminister der Länder auf Vorschlag von Karl Lauterbach gerade beschlossen haben, dreifach Geimpfte bei 2G-plus-Veranstaltungen von der Testpflicht freizustellen. Selbst wenn die Boosterung tatsächlich eine relevante Verringerung der Ansteckungsgefahr durch Omikron bewirken sollte – wofür es bislang keinen Beweis gibt –, wäre vollkommen unklar, wie lange dieser Effekt anhält. Mit der Abschaffung der Tests für Dreifachgeimpfte, ausgerechnet vor Beginn der nächsten Infektionswelle, hat der neue Bundesgesundheitsminister möglicherweise den ersten schweren Fehler seiner Amtszeit begangen.

Angesichts der unklaren Auswirkungen der Omikron-Welle auf das Gesundheitssystem gilt es, drittens, die Kollateralschäden der staatlichen Gegenmaßnahmen besonders sorgfältig abzuwägen. Nach derzeitiger Datenlage scheint Omikron häufiger leichte Erkrankungen hervorzurufen als die vorherigen Spielarten des Pandemievirus. Dies liegt wahrscheinlich nicht in erster Linie an der Variante selbst, sondern daran, dass sie in großem Stil Geimpfte und Genesene befällt, deren Immunsystem ja bereits auf vorhergehende Versionen des Sars-CoV-2 abgerichtet wurde. In Südafrika verlaufen die Omikron-Infektionen wohl auch deswegen harmloser, weil die Bevölkerung jünger ist und bereits von drei verschiedenen Virustypen (B.1 aus Norditalien, Beta und Delta) durchseucht wurde.

Quelle: https://www.focus.de/gesundheit/news/focus-online-kolumne-von-alexander-kekule-der-wendepunkt-der-pandemie-in-der-omikron-welle-kommt-es-auf-drei-dinge-an_id_26055346.html